Protestantische Mystik nach dem Dreissigjährigen Kriege

der ursprüngliche Text (Tsch.) findet man an andresius.pise.cz/3-protestantska-mystika-po-tricetilete-valce.html

Den Schluss vorwegnehmend können wir sagen, dass die protestantische Mystik hat sich nach dem 30-jährigen Krieg mit zwei Wegen begeben. Wir könnten auch über zwei Wellen sprechen, denn der zweite Typ taucht erst später auf, auf der Ende des 17-tes Jahrhunderts, aber die Mystik des ersten Typus lebt weiter neben dem Anderen. Mit dem ersten Typus meinen wir die theosophische Mystik, die sich in Besonderem auf Jakob Böhme gründet, eventuell auch auf der Erbschaft mystisches Paracelsismus und Weigelianismus. Diese Strömungen wurden auf dem Anfang des 17-ten Jahrhundertsdurch die Wiederaufnahme der mittelalterlichen deutschen Mystik (Eckhard, Tauler usw.) noch verstärkt und haben in einen starken Strom mystischer Dichtung gemündet, dessen Gipfel Angelus Silesius ist.

Der zweite Strom kommt später und ist für die protestantische Länder nicht heimisch. Es ist die quietistische Mystik, die ihre Anfänge in den katholischen Ländern hatte, aber um 1700 überreicht schon mit ihrem Einfluss in die protestantischen Länder und findet auch da ihre Anhänger. Selbstverständlich es gibt auch Persönlichkeiten, bei denen sich die beide Strömungen überkreuzen. *** Bei diesen, aber sonst auch bei allen Verfassern der mystischen Literatur muss man zwischen eigentlicher (Empfindungs-, Erfahrungs-) Mystik unterscheiden und einer vermittelten Rezeption der Mystik, also etwas, was man könnte vielleicht mit einem etwas abstoßendem Termin des „Mystizismus“ nennen. Und dieweil die Mystiker dieser „zweiter Kategorie“ (zu der nach meinem Meinung auch der anderseits geniale und universale Gottfried Arnold gehört) häufig sind, werden wir bei unserer bescheidenen Aufzahlung nur auf die Persönlichkeiten konzentrieren, die sich wirklich durch mystische Empfindungen erweisen konnten und dieser Fakt uns bekannt ist.1

Es ist aber eine schwierige Frage, ob man zu jenen zwei obergenannten Strömen nicht auch einen dritten einbeziehen sollte, der würde alle pietistische Strömungen beinhalten. Pietismus ist nämlich in seinen verschiedenen Arten mit der Mystik eng geknüpft. In gleicher Weise wie sie baut er auch nicht auf der Lehre, sondern auf der Empfindung, auf der erlebten Wiedergeburt. Gegenüber der quietistischen Mystik finden wir darinnen einen großen Antrieb zu äußerer Aktivität und zu Gemeindebildung (entweder innerhalb der bestehenden Kirchenordnung oder außerhalb ihr).

Erstaunlicherweise haben die pietistischen Gruppen mehr gemeinsam mit der Mystik ersten Typus, was auch an dem Lebenslauf verschiedenen Repräsentanten der pietistischen Bewegung gut zu beobachten ist, manche von denen entweder in ihrem Leben eine Phase von radikaler Annäherung zu theosophischer Mystik durchgemacht haben  (der schon erwähnte Gottfried Arnold), oder in sich selbst die beiden Strömungen vereinigten (Fr.W.Petersen). Die beiden Gruppen verknüpft auch Erwartung einer radikalen Wende in der Welt – eines Tausendjährigen Reiches, oder der „philadelphischen Zeitalter“, oder gerade des Weltuntergangs. Wenn wir aber unter die Mystiker auch alle bedeutsameren Repräsentanten des – kirchlichen oder nichtkirchlichen – Pietismus einreihen möchten, obgleich es legitim wäre, ein Einband würde dafür nicht reichen. Darum muss diese mächtige Geistesströmung beiseite bleiben und wir werden uns auf Repräsentanten der zwei ersten Strömungen begrenzen.

Die Gestalt eines Mystikers der Barockzeit ist auch in mehreren Aspekten von jener des Mittelalters verschieden. Jene verbrachten nämlich ihr kontemplatives Leben meistens hinter den Klostermauern, nur in einigen Fällen es für die Praxis, bspw. Predigtreisen verwechselnd. Bei Mystikern der Barockzein man nur selten begegnet solcherweise „mystische Vollzeitsbeschäftigung“. Mystiker führen ihr Leben außerhalb der Kirchenstrukturen (lutherische wie auch reformierte Orthodoxie lassen keine andere Möglichkeit zu), in Einsamkeit, oder in schmalen Konventikeln, von einem kleinen Kreis von Sympathisanten umgeben. Häufig haben sich einen ordentlichen bürgerlichen Beruf, manche von ihnen reisen. Auf sozialer Ebene gehören sie zu der Klasse der Gelehrten. Barockmystik hat kein Volksausmaß. Für das Volk sind hier ganz anderen Frömmigkeitsformen. Die aufgeführte Charakteristik gilt in allgemeinem – mutatis mutandis – auch für die pietistische Bewegung. In jener kommt jedoch der Volkselement mehr zu Wort, obwohl die Leiter und Organisatoren der pietistischen Gruppen stammen in allgemeinem aus den Schichten des Bürgertums, des Adels und der Gelehrten, und das auch bei beträchtlich extravaganten Gruppen. Völlig andere Verhältnisse walten jedoch in der mystischen Bewegung der angloamerikanischen Quäker, von denen noch die Rede sein wird.

An letzter Stelle möchte ich einen Zug der Barockmystik erwähnen, den man ihr vorzuhalten pflegt und nämlich, dass ihr intellektuelle Reflexion fehlt. Das ist wirklich ein großes Unterschied zu der Mystik eines Augustinus, eines Eckhards oder sogar eines Bonaventura. Am nächsten hat zu ihr die erste, theosophische Richtung, aber auch bei ihr es ist ganz anmutsvoll zu beobachten, wie sich verschiedene Autoren mit dem Chaos ihrer Gedanken und Empfindungen befassen, und sich – meistens vergeblich – ihren Schriften eine Ordnung und System zu geben bemühen, oder die Werke ihrer Lehrer zu systematisieren.

So viel für die Einleitung. Jetzt folgt also eine kurze Aufzählung der bedeutendsten Vertreter der protestantischen Barockmystik (ohne Anspruch na Vollständigkeit).

 

Linie 1 – Theosophische Mystik

Abraham von Franckenberg (1593-1652) a und seine Trabanten

Die Aufzählung von Mystikern des 17-ten Jahrhunderts müssen wir bei einem unmittelbaren Schüler Böhmes beginnen, nämlich Abraham von Franckenberg. Aber gleichzeitig sollte auch der politisch engagierte Johann Theodor von Tschesch genannt werden, ein Freund Franckenbergs, der ihn 1622 bewegte mit Böhme sich bekannt zu machen und selbst dank dieses Zusammentreffens eine große innere Wandlung erlebt hat. Später wurde er, schon in seiner Funktion des Hofrats in Schlesischen Fürstentum Berg, zusammen mit dem dortigen Diakonen Augustin Fuhrmann zu Initiator des Versuchs eine irenische (ökumenische) Kirche zu bilden. „Alte wahre Christliche Katholisch-Evangelische Religion“ sie sollte heißen.

Franckerberg hat sich als ein treuer Schüler Böhmes erwiesen. Er sammelte fleißig seine Handschriften und manche hat er auch vor seinem Tode ausgegeben.2 Vor seinem Tode hat er auch Böhmes Biographie erscheinen lassen. Er hat sich jedoch nicht sehr äußerer Tätigkeit gewidmet, sondern er hat sein Lebensende in kontemplativer Abgezogenheit und in „gelassene Gelassenheit“ durchlebt. Trotz seiner riesigen Bibliothek wollte er nicht mehr als nur drei Bücher studieren: Die Schrift, Das Buch der Natur und das Buch des Menschen.

Daniel Czepko(1605-1660)

ist Dichter eines unbeschreiblichen inneren Zusammenhangs. Er ist der Verfasser der Gedichtsammlungen Inwendige Himmel-Reich, Gegen-Lage der Eitelkeit, Sieben-Gestirne Königlicher Busse, Monodisticha .- Die letzte ist nicht nur formal mit dem Cherubinischen Wandersmann des Silesius verwandt. Auch er kennt die Göttliche Sofia. Zu mystischer Verbindung muss man durch den Weg der Seele vor dem Geburt treten. (sic!) Wir können so in Czepko den Verbindungselement sehen, wodurch die Eckhartische und Taulerische Inspiration (bspw. über die innere Gottesgeburt in der Seele) bis zu Silesius kommt. Die Seele ist für Czepko ein in dem Raum wandernde Lichtstrahl; wie bei diesem ist auch bei ihr offenbar, dass sie irgendwoher herkommt, dass sie irgendwo ihre „Gegen-Lage” hat und auch diesen ihren Ursprung immer sucht und dazu auch zielt. So entsteht ein spezifisch menschlicher Gegenstrom gegen diese göttliche Strömung. Der Mensch ist ein Punkt, wo sich Zeit und Ewigkeit durchkreuzen; er ist nicht bloß irdisch (da wäre er durchaus sterblich), noch ewig (da wäre er in Ewigkeit bestehen). Der Tod ist dann – und das ist echt barock – das Gewand des seligen Lebens, das der Tod in sich birgt.

Johannes Scheffler (1624-1677)

Johannes Scheffler, allgemein unter seinem Dichtername Angelus Silesius bekannt, ist mit Recht in ersten Reihe berühmt als Der Verfasser von der unsterblichem eine Sammlung geistiger Epigramme Der Cherubinische Wandersmann. Das Buch ist in einer plötzlichen mystischen Inspiration (das erste Buch im Zuge von ein paar Tagen) in dem Jahre 1652 entstanden. Neben dem Cherubinischen Wandersmann hat er auch andere Sammlungen verfasst: Heilige Seelenlust, und Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge, beide von eher einem Liedercharakter, und später, nach seinem Bekehrung zu dem katholischen Glaube, auch mehrere polemische Schriften. Der Cherubinische Wandersmann zeichnet ein ganz unübliches Bild von dem Heil – Seligkeit und heil verschmelzen da in einem mystischen Kreise. Eckharts Mystik der Einheit von Gott und Menschen wird hier voll gelautet. (Die Übermittelung durfte entweder über Czepko, oder auch über Tauler, Theologia Deutsch oder Daniel Sudermann gehen.)

Die Mystik des Silesius ist andere als die von Boehme, obwohl sie aus jener ausgeht. Naturspekulation und das Problem des Bösen treten ganz in Hintergrund. Der Kern der Mystik des Silesius ist das Erlebnis eine allumfassendes Durchdringen von Mensch und Gott. Die Himmel ist im Menschen (wie bei Boehme), der Mensch ist im Gott und Gott in Allem. Deswegen muss man Alles in Gott suchen und den Gott in seinem Selbst. Silesius nie entweicht von Paradoxen.

Silesius spricht nicht von dem Herzen wie Boehme (und auch Comenius), sondern die ganze Welt ist ihm durch eine Bewegung nach Innerem, von einem Identitätsprozeß durchdrungen. In solchem Moment können wir vielleicht einen Abglanz der Weigelischen-Paracelsischen Alchemie sehen, womit war Sielsius natürlich auch vertraut. Die dichterische Form hat ihm jedoch ermöglicht jene Tatsachen sehr apellativ auszudrücken. Die Epigramme des Silesius wenden sich gerade an den Menschen, sie reden ihn an und man kann bei der Lektüre nicht unberührt bleiben. Es spricht nicht mehr der Dichter, sondern durch seinen Mund erklingt eine wirkliche wahre mystische Erfahrung.

Mit gewissem Abstand und auch mit leicht abweichendem Charakter folgt in der Reihe der theosophischen Mystikern:

Christian Knorr von Rosenroth (1636-1689)

Knorr von Rosenroth wurde im 1636 in Schlesien als ein Sohn de Lutherischen Pfarrer geboren. Er studierte an der Universität Leipzig, beschäftigte sich mit Numismatik, Sprachen, mit dem Studium der Jüdischen Mystik. Seine Kontakten und seine Rundschau waren riesig; sie zogen sich bis an die Mennoniten und die Quäker. Deren dank hat er auch F. Mercurius van Helmont kennengelernt, wer hat ihn an der Sulzbacher Hof weiterempfohlen. Er ist da 1666 in Dienst eingetreten und 1686 wurde er zu einem Geheimrat, später sogar zu Kanzler. Er ist 1689 gestorben.

Knorrs Hauptwerk ist Kabbala denudata, die eines selbständigen Referats verdienen würde. Er beschäftigte sich jedoch auch mit der Feststellung des Zeitpunkts der Ankunft des Tausendjährigen Reiches und mit anderen Themen der „Prisca Theologia“. Er hat auch Alchemie praktiziert. Er hat angeblich auch seine Sterbestunde vorausgesagt. Nach dem Tode hat er auch seine Tochter besuchen. Er war ein für die Barockzeit typischer Sammler der Instrumente und Kuriositäten. Das Studium der Kabbala bedeutete für ihn ein Mittel zu Bekehrung der Juden (wenn ihnen demonstrieren wird, dass ihre Geheimlehre in der Substanz christlich sei) und dadurch auch zu Stiftung des Tausendjährigen Reiches. Er beabsichtigte auch auf der Kabbala eine neue christliche Einheitsreligion zu gründen, die auch eine zufriedenstellende Theodizee – Erklärung der Ursprung von Bösem und Sünde – bereitstellen würde. Er stützte sich dabei auf die neuere Lurianische Kabbala, deren Interesse schon von der Kosmologie zu Theorien von der Ursprung der Böses und der Erlösung geschoben war; Galut erwirbt da schon eine kosmologische Bedeutung und steuert zu der universalen Erlösung (Tikkun) bei. Nach Chajjim Vital (1543-1620), ein von dessen Traktaten auch einen Bestandteil der Denudata formt, hat alles in der Welt, auch der Staub und Röcke eine bestimmte Natur und ein bestimmtes Leben und auch ihre vollkommene Form in dem Himmel. Dasselbe finden wir bei Knorr. Der Gott schafft ein geistig-physisches Kontinuum, geistige Natur, deren Teil ist zum Erlangen des Bewusstseins fähig. Monaden, die den Geist in sich nicht zu entwickeln vermögen, werden zu dem Fundament der Materie, daraus materiellen Gegenstände konstituiert werden. Es bleibt bei ihnen jedoch die Fähigkeit unter sonderbaren Bedingungen ihr ursprüngliche Beseeltheit zu wecken. Materie ist deshalb Vervollkommnungs- und Erlösungsfähig.

Auf der soteriologischen Ebene heißt es, dass das Böse und die Sünde nur vorübergehende Zustände sind. Das ist eine wesenhafte Emendation der Calvinistischen Prädestination. Die Präsumtion der Widergeburt bedeutet auch, dass alle Leute auf der Walt haben mindestens einmal in dem Leben eine Gelegenheit gehabt den Christus zu begegnen und in ihm zu glauben. Mit F.M van Helmont teilte er auch die gemeinsame Idee einer auf dem Hebräischen begründeten Universalsprache.

Franciscus Mercurius van Helmont (1614-1698)

Der 1614 geborene Franciscus Mercurius van Helmont (1614-1698) war ein Sohn des berühmten Vlämischen Gelehrten und Alchemisten Johann Baptist van Helmont. Sein unruhiges Leben hat er meistens in der religiös freien Umwelt an dem Hof des Christian August, Herzog von Pfalz-Sulzbach (1622-1708) in Sulzbach erlebt, wo er in regem Kontakt mit Knorr von Rosenroth war. 1658 wurde er geadelt. 1657 hat er die Beziehung zu Willam Ames, einem von der Gründer der Gesellschaft der Quäker eingeknüpft und er war sehr empfindsam für seine Ideen, was schließlich seine Verhaftung provoziert hat, die im Jahre 1661 auf dem Anlass des Herzog Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburgs geschah, und zu der Anklage von Ketzerei, sogar zu Auslieferung an die Römische Inquisition. Er wurde 1663 für die Beweisnot freigesetzt. In den Jahren 1670-1679 verweilte er hauptsächlich in England, wo er im Kontakt mit Lady Anne Conway, Robert Boyle und Henry More war. 1665 wurde er zu einem Mitglied der Royal Society, und 1677 er offiziell die Quäker- Gemeinschaft eintrat. Er knüpfte die Beziehung auch zu Quirinus Kuhlmann auf. Seine letzten Lebensjahre – seit 1679 – hat er als ein Landfahrer durchgelebt. Während deren hat er auch mehrmals mit Leibnitz zusammentreffen, der auch sein Epitaphium bereitet hat. Er starb irgendwo in der Nähe von Berlin, am 22. Dezember 1698.

In seinem Denken ist er Vertreter der Prisca Theologia im Geiste Picos, Ficinos, Reuchlins, Postels und Fludds. F. M. van Helmont wirkte mehr durch seine persönlichen Kontakte, als durch seine Schriften aus. Zusammen mit Knorr von Rosenroth bemerken wir bei ihm eine starke Anlehnung an die Christliche Kabbala.

Er beschäftigte sich auch mit der Frage der Universalsprache, die sollte auf Hebräischen Lauten gegründet werden. Im Geiste des Sefer Jecira anerkennt er als die Primordiale Welt (primordiale Weltebene) die, die durch Hauch und Wort geschaffen ist. Er lehnt den Gedanken der Hölle ab und nimmt dem Konzept der Metempsychose an, die soll zu Vervollkommnung des Menschen und der Finalrestitution von seinem Urzustand vor dem Fall dienen. Er spricht über „Centralische Geist“ des Menschen, darin trägt der Mensch sein Gottesbild; dieser erschafft in weiteren Inkarnationen immer ein verschiedenes Geistliches Leib

Quirinus Kuhlmann (1651-1689)

ist ein sehr ekstatischer Dichter. Das gilt buchstäblich: Er wurde wirklich von Engel und Visionen besucht. Die erste Vision erschien ihm im seinem 23-sten Lebensjahre, dass er durch sie vor die Übernahme eines „Widerchristlichen Titel des Juris Doktoren“ verhindert werde. Kuhlmann konnte seine Ekstasen nicht bewältigen, er wurde von ihnen ganz aufgesaugt. Er begann schon mit Fünfzehn Gedichte zu schreiben und er begann seine dichterische Laufbahn – für das 17-te Jahrhundert sehr charakteristischerweise – mit einer Sammlung von hundert Epitaphien. Er hat sein berühmtestes dichterisches Werk, den intim autobiografisch Kühpsalter erst an seinem Lebensende geschrieben. Vor ihm schrieb er noch den Neubegeisterter Böhme (1674), der durch die Lektüre Böhmes Mysterium Magnum angeregt worden war. In seinen Gedichten bricht er ganz nach der protestantischen Weise unter dem Gericht Gottes zusammen und sucht die Gnade. Dem Gott und seiner Majestät muss sich  alles unterwerfen. In seinen Ansichten gehört er zu den radikalen Böhme-Anhängern. Er sah in Böhme – wie auch manche von seinen Zeitgenossen – an erster Stelle den, der durch Verknüpfen des Gotteswort mit Naturtheosophie als von Gott gesandte Prophet die Reformation vollgebracht hatte. Kuhlmann fühlte sich einberufen diese prophetische Begabung wieder zu erheben und zu entfalten. (Zeugnisse davon sind bspw. die Briefe nach Johannes Roth und Antoinette Bourignon.)

Kuhlmann ging mit seltsamen Planen um und er hat auch ein seltsames Ende getroffen. Er machte einen Versuch den Türkischen Sultan umzukehren. – Es ist interessant, dass es dieses mittels eines prächtigen Exemplars von Comenius Lux in tenebris zu erwirken beabsichtigt hat. Letzendlich wurde er auf einer aus seiner weiteren „Missionsreisen“, in der orthodoxen Moskau verbrannt.

Johann Georg Gichtel (1638-1710)

Die Gestalt des Johann Georg Gichtels haben wir schon ausführlicher Weise anderswo dargestellt3, deshalb führen wir hier nur die grundsätzlichste Tatsachen auf:

Johann Georg Gichtel Stammte aus Regensburg, aus einer lutherischen Patriziat Familie. Sein einst sehr wohlhabender Vater hat während des Dreißigjährigen Krieges eine Habe im Umfang von 18 Tausend Talern verloren. Nichtsdestoweniger vermochte Gichtel später eine sehr annehmbare Juristenlaufbahn anzutreten und es fehlte ihm auch nicht an Vermählungsangeboten. Er hat allerdings in Regensburg im Jahre 1664 einen Freiherr von Weltz kennengelernt, der da auf den Reichstag mit einem Vorschlag auf Union der gesamten evangelischen Stände Deutschlands gekommen war, welcher Zweck und Ziel sollte die Bekehrung von Juden und Heiden unter gleichzeitigen Vertiefen des eigenen Geistesleben sein. Später hat Weltz die Entscheidung getroffen auf eigene Faust zu handeln; er begab sich über die Niederlande nach Amerika. Gichtel hat ihn auf seiner Reise erst nach Holland begleitet. Da hat er jedoch einen anderen Menschen kennengelernt, der viel in seinem Leben bedeuten sollte, Friedrich Breckling. Sein Haus in Zwolle – und die lutherischen Gemeinden in der Niederlande in Allgemeinem – war der wahre Mittelpunkt, wo die Faden aller spiritualistischen, frühpietistischen, heterodoxen und dissentierten Aspirationen sich zusammentrafen. Hier hat Gichtel seine erste Erfahrung mit innerlichem Gebet erlebt, und hat sich entschieden nicht nach Amerika zu gehen. Stattdessen hat er sich auf den Sulzbacher Hof begeben, wo schon Christian Knorr von Rosenroth und F.-M. van Helmont wirkten. Davon richtete er eine Proklamation an die Nürnberger Geistlichen, die unbedingt sein Arrest und Überlieferung verursachte. Er hat vierzehn Tage In Nürnberger Gefängnis verbracht, und dreizehn Wochen in der Regensburger, unter denen hat ihm sogar Blutgericht gedroht. Da hat er auch seine Lebenskrise erlebt. Der Teufel ist ihm mehrmals in leiblichem Gestalt erschienen und das hat ihm immer auf mehrere Stunden gelähmt. Und danach, als er, von dem Kampf mit der Welt, der Geistlichkeit und dem Teufel, ein Liedlein leise gesummt hat, ist er in Verzückung geraten, und hat gesehen, wie eine große Schlange seinen kraftlosen Leib umwickelt; darunter ist aber ihm auch in dem Herzen ein mächtiges Licht aufgegangen in dessen Schein hat er den Christus erblickt. Das war die erste von seinen großen Visionen, die hat er noch viele erlebt, in dem Gefängnis wie auch in späterem Leben. Der Rat der Stadt hat sich schließlich von der Todesstrafe abgewendet, aber Gichtel wurde ausgebürgt, des Amtes der Anwalts entkleidet und enteignet und aus der Stadt ausgewiesen. Er ist so ohne Mittel, nur mit einem Bündel mit Kleider in Januar vor der Toren der Stadt am Anfang eines neuen Lebens geblieben. Seitdem hat er schon für immer alle, auch sehr ehrenhafte Gelegenheiten Habe und Ehre wiederzugewinnen, die ihn noch mehrmals sich angeboten sind, abgelehnt. Er lebte für einige Monate als ein Landstreicher, danach, nach einigen Peripetien machte er sich zum Schluss des Jahres 1666 wieder auf den Weg zu Breckling nach Holland. Bei ihm hat er die Stelle des Kantors und Kaplan versehen, aber auch eines Hausknechtes. Schliesslich es kam zwischen ihnen zu einer Auseinandersetzung und Gichtel wendete sich nach Amsterdam, wo hat er jahrelang gelebt, und wurde auch von weiteren Visionen heimgesucht.

Gichtel genügte nicht auf Gott und seine Heil sich zu verlassen. Er hat alle diese Kämpfe mit eigener Aufopferung begleitet, denn – wie er meinte – das Heil wird nicht durch Christi Tod für uns, sondern durch Christi Tod in uns gewirkt. Der innere Christus sei die schmale Pforte, dadurch man ins Paradies gelingt. Gichtel glaubte, dass es ihm wirklich die Macht gegeben war die Seelen zu retten. Er hat diese Fähigkeit, die für ihn mit grenzlosem Mitleid zusammen zusammenfließt, das Melchisedechische Priestertum genannt, also mit einem Begriff, der wurde auch später von den radikalen Pietisten für ihre Bezeichnung von ihrem Ideal der Vollkommenheit viel benutzt. In Amsterodam wurde er auch zu dem ersten Ausgeber Jakob Böhmes Schriften, in denen  er für sich und für die kleine Gruppe seiner Anhänger große Inspiration fand. Er hat selbst kein größer Werk geschrieben, nur seine umfassende Korrespondenz wurde nach seinem Tod unter dem Titel Theosophia practica ausgegeben.

 

Linie 2 – Quietistische Mystik

Wir haben schon angeführt, dass Quietismus seine Wurzel in romanischen Ländern hat, wo sich in Besonderem durch die Namen von Miguel Molinos, Antoinette Bourignon, Madame de la Mothe Guyon und Pierre Poiret ausgezeichnet hat. Die ersten drei entgehen so das Thema unseres Referats. Nur der vierte wurde zu Übermittler von diesem Typus der Mystik für die Nördliche Welt.

Pierre Poiret (1646-1719)

war nämlich Protestant aus Elsass. Er hat auf der Strasburger Universität graduiert und wurde zu Pfarrrer in einer Reformierten Gemeinde. Später hat er jedon seinen Amt verlassen (er hatte grosse Schwierigkeit mit Spenden der Sakramente) und widmete sich dem Niederschreiben von mystischen Schriften. Er begab sich nach Holland (Rhynsburg), wo konnte er es ungehindert betreiben. Er wurde stakr durch die romanische (katholische) Mystik beeinflusset, deshalb pflegte man ihm – wahrschinlich ungerechtige – Vorwürfe als einem Kryptokatholiken machen. Es stand in regem Briefwechsel mit mehreren Frauen – Mystikerinnen: vornehmlich mit Antoinette Bourignon (zu dessen entschollenen Anhänger und auch gewissermassen Beschützer wurde er), weiter Madame de Guénon und Katharina aus Genua. Poiret spürte den Grund des Christentums in Liebe, und entwarf sie auch für den Grund der Theologie. Solche Theologie steht allerdings in engem Zusammenhang mit der Theologie des Kreuzes (er konnte darin von Angela di Foligno, deren Schriften hat er auch ausgegeben, beeinfllusst sein) und der Theologie des Herzens.

Gerhard Tersteegen (1697-1769)

Gerhardt Tersteegen war Poirets geistiger erbe (nicht nur metaphorisch: Er hat auch Poirets Bibliothek geerbt.) Er führte ein stark ascetisches Leben: Trotzdem er auch bessere Möglichkeiten des Verdienstes hatte, er ernährte sich als Bandmacher und hat sein Leben in einsamkeit geführt. Auch seine Gesundheit war nicht sehr gut. Später lebte er zusammen mit einem Gefährtem, mit dem er arbeitete und betete. In dieser Zeit enstanden auch seine geistige Lieder. etwa 2 Jahre später fing er mit seiner öffentlichen Tätigkeit an. Er machte Predigte und Leute kamen zu ihm für Ran in Personalangelegenheiten. Statt Bandmachen bereitete er nun verschiedene Krautarzeneien. Seine Reden wurden erst im Jahre 1751 unter dem Titel Heilige Brosamen gedruckt.

Tersteegen kann sehr gut auch zu den Pietisten gerechnet werden, denn gleich mit ihnen betonte er sehr die Bedeutung von Gnade und Wiedergeburt und seine Stellung zu diesen Fragen war radikal augustinisch. Seine Hingabe an Gott war grenzlos und die zur Sünde abfallene Welt war nicht für ihn. Trotzdem wusste er in seinen Gedichten sanft auch die Zärtigkeit der Natur bemalen. Gottesgegenwart war für ihn absolut:

Gott ist dir immer nah; Gott denket stets an dich,
Er ist zu dir gewandt und zeucht dich auch zu sich

Tersteegens meist verbreitetes Werk ist Leben heiliger Seelen, was ist eine Sammlung von geistigen Biographien, die etwa im Arnolds Geiste den Lesern grosse Gestalten der Mystiker der Vergangenheit vorstellt.

Linie 3 – Pietisten und die Übrige

Hir wird ein Paar Persönlichkeiten angeführt werden, die zweifelsohne mystische Züge haben, aber widerstreben sich völlig der vorigen Klassifizierung. Wir werden auch dias Deutsch-Niederlandisches Gebiet verlassen. An der ersten Stelle sein erwähnt

 

Jan Ámos Komenský/Comenius (1592-1670)

von welchem müssen wir unsere dritte Reihe beginnen. Er gehörte noch zu der Übergangsphase, zu Generation derer, die in diesen Überblick nicht einbegreifen worden sind, das ist zu Namen wie Arndt, Böhme und Andreae und unter seinen Schriften finden man sicher auch Bücher von mystischer Ader (die spätentstandene Werke Via lucis, Clamores Eliae, Unum necessarium). Er wird hier wegen seiner riesigen Bedeutung für die Frömiggkeit der Böhmischen Exulanten wie auch der Pansophischer Geister in ganz Europa angeführt. Sein frühes Werk, Labyrint svĕta a lusthauz srdce (Das Labyrinth der Welt und Herzenslustgarten ) hat dagegen viel Gemeinsames mit dem späteren „Bibel“ der allegorischen evangelischen Mystik, mit der Weg eines Pilgers. Die wurde jedoch von dem englischen Puritane

John Bunyan (1628-1688)

geschrieben, der – ähnlich wie Comenius – ein sehr schweres Leben gehabt hat. Er hat in der parlamentarischen Armee gekämpft, und 1665 hat er sich in Bedford zu den Nonconformists angeschlossen, was ihm, der sehr viel für die Sache des Protestantismus gekämpft hatte, 12 Jahre von Gefängnis gebracht hat. Den Pilger hat ere gerade da verfassen. Das Buch erschien jedoch erst 1678.

George Fox (1624-1690) und die Quäker

George Fox war Gründer von einer bewundernswerten Gemeinscheft der Quäker, die jedoch recht Friends of the Truth, „Wahrheitsfreunde“ genannt wird. Sollten wir im Grundriss die eigentümliche Lehre dieser Gemeinschaft skizzieren, wir können von dem Grundgegriff des inneren Lichts (das für ihre Mitglieder dasselbe als Warheit ist) ausgehen. Dieses meint für sie die Fortsetzung der Offenbarung. Die Quäker sind also (vielleicht mit einigen Antitrinitarier) die einzelne aus der Reformation entstandene Gemeinschaft, die sich die Offenbarung für nicht-abgeschlossen zu erklären gewagt hat.„Fox read the Bible only to discover in its pages truths which God revealed to them directly, truths he already knew ”experimentally”, a key word he frequently used and one which became central to enthusiasts‘ understanding of spiritual life.”, schreibt David S Lovejoy[46]. J

Es ist jedoch klar, was für Folgen musste solche Stellung haben: Antiklerikalismus, weites Abschaffen von auswendigen Kirchenstrukturen einbeziehend aller Formen eines Kirchenmagisteriums. Als allgemeine Autorität wirkt bei den Quäker die „innere Stimme“. Jemand darf von Christi Gotteslicht erleuchten werden. Also wird Mensch etwa zu Verwalter eigenes Heils. Er darf sogar seiner gewiss sein, wenn nur er an die Stimme Gottes lauscht und seinen Willen nachfolgt. Mensch kann so Volkommenheit und Sündlosigkeit erlangen. Die evangelische Idealen können wirklich in dem Leben zu erfüllung kommen. Fox selbst wurde für den „Geist der Unterscheidung“ gerühmt, und sein Freund George Whitehead konnte angeblich in Menschenherzen schauen. Fox betonte sehr den unmittelbaren Umgang mit Gott. Als er zu Besuch in den Kolonien war5, man begann Geld zu sammeln, damit sie ihm zu ihrem Prediger machten. Fox hat darauf mit der Erklärung reagiert, dass : „Sie verstehen weder uns noch unsere Prinzipen. Unseres Bestreben ist jemanden zu seinem inneren Lehrer zu bringen.“– und ging weg.

Fox hat im Jahre 1643 eine Bekehrung erlebt: Er hat „Vision“ von Gotesstimme gehabt, in der das Lebensbaum wehrende Schwert das Haupt der lebensverdenbenden Schlange zerspaltet hat, und das innere Leben in ihm erweckt worden ist. Seitdem wanderte er durchs Land ohne dauerndes Sitzes. Seine grosse Visionen begannen in Jahren 1647-8. Er beschreibt in ihnen Erlebnise des Lichtes Christi, der Kraft und Gnade, die seine Verzweiflung überkamen. So erhaltete er seinen Glauben, seine Hoffnung und Gnade unmittelbar von Christus

Er hatte Visionen auch darüber, wer erwählt und wer verdammt wäre. Aber alle Visionen hat er nur während seines Wanderlebens gehabt. Fox schreibt auch, dass er in sich „das Seufzen des Geistes“ zu erkennen gelernt hat . Im Jahrre 1648 erlebte er die „Öffnung der Paradieses“ die wahrscheinlich mit ähnlichem Erlebnis verbunden war, welches auch Böhme erlebt hat, und welches von Nigg „Zentralschau”, genannt wird, bei der die Quinessenz und die wahre Namen der Dinge enthüllt werden. Solcherart erscheinungen wurden freilich von noch erhabeneren Offenbarung Christi und der Menschenswürde überkommen, die grosser sei, als die – der Paradiesschau entsprechende – Würde des Menschen vor dem Fall gewesen wäre. Derzeit begann er auch seine „Freunde“ zu versammeln und hat schliesslich die Vergeblichkeit aller drei Menschensstände durchzusehen: der Juristenstandes, der Medizinstandes und des Geistesstandes: Die Ärtzte haben keine innere Schau in die Schöpfung, deshalb können sie nich heilen; die Priester haben nicht die Stärke Leute zu reinigen und ihnen den Zutritt zu Gott vermitteln, denn die haben den Glauben nicht; den Juristen fehlt an Gerechtigkeit, denn sie kennen nicht das Gesetz Gottes, der spricht: „Tue nicht dem Anderen, was solle dir nicht getan werden.“ Alle diese drei Stände können zugleich gebessert werden. Er hätte auch von Gott das Gebot erhalten, von niemendem seinen Hut abzunehmen. Erst 1652 hat er sich schliesslich niederlassen und lebte in Ruhe bis zu der Ende seiner Tagen.

Zu Foxs Nachfolger und im rechten Sinne zum Organisator des neuen „Experimentalreligion“ wurde William Penn (1644-1718), Sohn eines Admirals. Er hat sich zu den „Freunden“ 1667 beigegesellt. Im Jahre 1682 hat er als Abgeltung für den nichtausgezahlten Sold seines vaters einen Landstreifen in Amerika im Empfang genommen, wo er ein ungewöhnliches religiöses Experiment verwirklicht hat – das Land war nämlich nicht nur für die „Freunde“ bestimmt, sondern es sollte für Alle offenstehen, und es ist wirklich ein Zufluchtsort für viele mystische Separatisten aus Deutschland, Holland usw. geworden. In seinem ersten Rundbrief an die „Freunde“ (1677) betont er, dass sie sich nicht von verschiedenen auswendigen Bekentissen oder Mitgliedschaften irreführen werden sollten, aber das, was anstelle dessen gewägen soll, nicht der mystische Erlebnis sei, sondern der Tat – überwiegend die Spendebereischaft gegenüber die Arme. Die andere Grundvoraussetzung sei die unaufhörliche Prüfung eigenes Herzens, denn – in dem Grab wird es kein Bekehrung geben. Es gillt jetzt vor der Sünde sich zu währen.

Quäkergemeinschsaften kriegten manchmal ziemlich apokalyptische Züge. Anderseits waren sie nähe den Mennoniten: in Verweigerung der Kindertaufe, des Eides, in grossem Pazifismus. Zusammenarbeit mit Menonniten fand jedoch nicht statt – mit heutiger Sprache könnten wir sagen, das beide Gemeinschafte nahmen dieselbe ökologische Nischee ein, so dass sie waren eher in ener Kokurenzverhältnis.

Zum Schluss von unserem Übersicht kehren wir nach Deutschalnd zurück und führen erst zwein Repräsentanten deutschen radikalen Pietismus an.

Johann Heinrich Horch (1652-1729)

war Professor in Marburg. Er war sehr streng in Sitten und im Zucht. Es wurde überliefert, dass er eigene Frau so prügelte, dass es an Wahnsinn grenzte. Er hat doch in die Geschichte eingetreten als der Herausgeber der Berleburger Bibel. In ihr ist nich die Übersetzng das wichtige – die Übersetzung war Luthers, sondern ihr pietistische , mystisch-spirituale Kommentar.

Berleburg war nämlich eine von Ortschaften, in welchen sich mit der Zeit (üblicherweise unter Beschirmung von lokalen Adel) eine stark pietistische Gemeinde gebildet hat. Ihr charakteristische Verterter war der ruhelose Geist und missionar, Verfechter „Ausziehung aus Babel“

 Ernst Christoph Hochmann von Hochenau (gest.1721)

Er verbrachte mehrere Monate in Haft in Detmold, dann lebte er in das, was er ”geistiges Laboratorium” und ”Friedensburg” nannte. Später hat er viel gereist, oft wurde er verfolgt und verhaftet – beispielsweise in Nürnberg, in Halle und in Leipzig. Er las viel – in Besonderem alte und neue Mystiker (die hat er mittels Arnolds kennengelernt), sondern auch vorpietistische Mystiker des vorigen Jahrhunderts (Betke u a.) Die Kirche ist für Hochmann nur die unsichtbare Kirche des Geistes. ”Nur wenn Jesus selbst in dem innersten Grunde des Hertzens mit Feuer und mit Geist tauft, kann das Hertz geändert werden, dazu is kein äusserliches Element capable.”6Von allen Kirchen es gillt gescheiden zu werden, damit die Kinder Gottes im Licht schreiten könnten. An seinem Lebensende (1719) hat er beträchtige Würdigung erhalten indem er zu Greiz berufen wurde, wo der Graf Heinrich II. einen pietistichen Zwergstaat geschafft hat. Er ist da bis 1720 geblieben, und 1721 nach seinem Rückkehr nach Schwarzenau ist er gestorben.

Ganz zum Schluss führen wir eine Person an, in der haben sich schon an der schwelle der Aufklärungszeit beide Linien der protenstantichen Barockmystik Vereinigen. Diese Person ist ein Mann der Kirche, Württemberger Prediger und Prälat

Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782)

Am Anfang müssen wir feststellen, dass die mystischen Elemente in seinem umfangreichem Werk, sowie in seinen zahlreichen Predigten sind nicht leicht zu finden, und sie erinnern uns an Tersteegen. Oettingers typische Haltung, dazu er immer vermahnt, ist nämlich: „Aufschwingen zum Gott“. Nach Oetinger es bestehe ein unüberbrückbare Widerspruch zwischen das, was er „Rechnungsverstand“ und „Zentralverstand“ nennet; den gillt es zu erlangen.

Oetttiger war sehr vielseitig. Er hat sich sogar die Lebensbeschreibungen der katholischen Mystiker zu übersetzen gewagt. (Das machten doch schon vor ihm Arnold und und Tersteegen, aber Oettinger hat unter ihnen zum Beispiel auch Ignatius von Loyola einbezogen.)

Als erster nach Knorr von Rosenroth hat er sich auch mit Kabbala befassen. Er hat sogar Kontakte zu Rabinen angeknüpft. Ein von ihnen sagte ihm angeblich, dass die Christen ein Buch haben, die über Geheimnisse Gottes offener spricht als Zohar. Und wer jener nach es mit Staunen gefragt hat, erklärte der Rabbi (es war Koppel Hecht aus Frankfurt), dass es Böhme Schriften seien.

Er verweilete auch bei Zinzendorf in Herrenhut, aber er trennte sich von ihm (nach Nigg wegen seiner zu erotischen Mystik).

Nach dem Rückkehr aus Herrnhut hat er sich in den Kirchendienst heranzutreten entschlossen.

Bei den Pietisten hatte er ain schlechten Ruf wegen der Breite seines Geistes: bei Predigten zitierte er auch Konfucius und Plato. Sogar seine Frau kam in Nachrede. Oettinger jedoch erleichterte die lage für seine Kritiken dur seine Eigenart. Er hat sich im Walde auf einer Eiche Kanzel gemacht, woraus er Predigte (am Mitternacht man sagte) den Toten! Er machte auch chymische Experimente (mit Melisse usw.). Aber er wehrte sich immer gegen die Nachrede, dass er Goldmacher wäre. „Gott ist mein Gold. Er wohnt in mir und ich schmecke seine Güte.“

Sehr wichtig ist, dass bei Oettinger kommt zurück in Spiel die intelektuelle Mystik. Er spürte keine Kluft zwischen dem „Gott Abrahams, Issaks und Jaakobs“ und dem Philosophengott – und so muss es sein, wenn man nicht in die Aporien des doppelten Warheit erlangen soll. In Spüren von Bengel (Württembergischer Proffessor, Kommentator der Johanneischen Schriften und der Apokalypse) hat er eine Bibellexikon zusammmengestellt, von dem sagt Nigg, dass es ein „pneumatisches Werk, nicht eine blosse Erklärung der biblischen Begriffe“ sei. Er bestrebte sich darin die These begründen, dass auch nach dem Abgeschlossen von Bibelkanon die Offenbarung Gottes fürht fort. Er war gegen die Stückelung von Bibel auf einzelne Versen – die Bibel hat Sinn nur als eine Ganzheit oder mindenstens in grossen Abschnitten. Er hat die Schrift wie auch die Natur nicht mechanisch sondern organistich verstanden. Er hat eine Lehre über Paralelismus von Natur und Gnade geschaffen; nur ihr Gleichlauf macht die Religion. Von Boehme und Gichtel hat er auch den Begriff und die Idee der Theosophie übernommen. (Er nennt sie auch „Philosophia Sacra“.)

In einem Zeitabschnitt von senier Leben wurde er auch viel von Swedenborgs Monismus begeistert, später hatte er jedoch einige Vorbehalte gegen seine Auffassung der Wiederkunft Christi. Swedenborg verstand es immateriell – in dem Wort. Dagegen Glaubte Oettinger in eine neue Erde, die von materialem Wesen sein wird. Auch in der Bibel liebte er alle materielle Bildnisse und schätzte hoch die Körperlichkeit. Er hat auch einen Aufsatz gegen Idealismus geschrieben.

 

 

Die Reihe der Mystiker des Protestantismus enden natürlich mit seinem Tod nicht, aber in der veränderten Verhältnissen nach der Periode der Napoleinischen Kriegen erfüllt sie schon aine andere Funktion: Die Mystik hat nicht mehr Bedeutung für Formen von kleinen Gruppen bzw. kirchlichen oder ausserkirchlichen Gemeinschaften, sondern sie wird bloss zu einer Privatsache und für die Evangelischen Kirchen hört sie auf für ein ziemlich lange Zeit interessant zu sein. Sie wird manchmal auch aus verschiedenen Skurillitäten verdächtig und die evangelischen Christen werden von ihr in den rationalistischen neunzehntnen und zwanzigsten Jahrhunderten eher gewarnt.

 

Literatur

Angelus Silesius: Der cherubinische Wandersmann: mit einem Anhang Heilige Seelenlust, oder, Geistliche Hirtenlieder. (ed Ch. Waldemar )München: Wilhelm Goldmann Verlag, 1960.Goldmanns gelbe Taschenbücher; Band 607

Baldwin-Weddle, Meredith: Walking in the Way of Peace. Quaker Pacifism in the Seventeenth Century, Oxford University Press, 2001

Goertz , Hans-Jürgen:Religiöse Bewegungen in der frühen Neuzeit, München 1993

Lovejoy, David S.: Religious Enthusiasm in the New World, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts and London 1985

Nigg, Walter: Heimliche Weisheit. Mystisches Leben in der evangelischen Christenheit; Artemis-Verlag ,Zürich & Stuttgart, 1959

Tersteegen, Gerhard: Leben heiliger Seelen, Verlag der St.-Johannis-Druckerei C.Schweickhardt, Lahr-Dillingen 1986

Wehr, Gerhard: Aspekte der Wirkungsgeschichte Jakob Böhmes in Gott, Natur und Mensch in der Sicht Jacob Böhmes und seiner Rezeption (hrsg. Jan Garewicz, Alois Maria Haas), Harrassowitz Verl. Wiesbaden 1994

Wentzlaff-Eggebert, Friedrich-Wilhelm: Deutsche Mystik zwischen Mittelalter und Neuzeit. Einheit und Wandlung ihrer Erscheinungsformen; Walter de Gruyter & Co., Berlin 1969


1Das keineswegs ein Versuch sein soll Einige zu Ungunsten der Anderen zu erhöhen, noch ist hierin eine indirekte Verleumdung der Anderen mit Unaufrichtigkeit oder Falschheit versteckt. Der Verfasser dieser Zeilen ist tief überzeugt, dass sehr viele Leute mystische Erfahrungen haben oder gehabt haben, von denen wird es man nie erfahren.

2Anno 1631 in Amsterdam unter dem Titel Josephus Redivivus.

3Ondráček, Václav: Johann Georg Gichtel, vydavatel Böhmových spisů a svérázný mystik; in Okruh a střed 4/2006, Praha, Obec křesťanů 2006, auch an na http://andresius.pise.cz/24-johann-georg-gichtel.html

4Fox hat die Bibelen nur um den Zweck gelesen, damit ere auf ihren Seiten die Wahrheiten endecken würde, die allerdings ihnen schon direkt endeckt worden waren, die er schon „aus Erfahrung“ gekannt hat – Das war für ihn ein Schlusselwort, das er immer und immer benutzte und das ist für alle „Schwärmer“ in ihrer Erfassung des Geistslebens zentral geworden. – Lovejouy, David S.: Religious Enthusiasm in the New World, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts and London, 1985, s. 112

5Es war in Jahren 1670-1673 und er besuchte damals Barbados, Jamaica und Rhode Island. Die anderen britischen Kolonien , im ersten Reihe der puritanische Massachussets haben damals – im Unterschied zu ihrem Mutterland -die Quäker hart verfolgt. Im Boston wurden mindens 4 Quäker einschliesslich einer Frau gehängt und viel anderen gegeisselt.

6Brief von 12.11.1708, zit.nach Renkewitz,Heinz: Hochmann von Hohenau, Witten, 1969 einer unbeschreibbarem